Heute sind Oldie und ich noch einmal hier im Rosenheim, um meine Sachen abzuholen. Piter und Gerry begleiten uns, um beim Tragen zu helfen. Es ist ein seltsames Gefühl, nach der langen Zeit als Rose noch einmal hier zu sein.
Wir gehen durch den hinteren Eingang, weil ich nicht durch das Lokal will. Außerdem hat Oldie im Gartenschuppen noch etwas, das er mitnehmen möchte. Der schöne Rosengarten liegt noch in Winterruhe, aber bald wird er wieder in voller Blüte stehen.
Da Oldie mit den beiden Maoden noch im Schuppen kramt, gehe ich vor und klopfe an die Küchentür. Eine überraschte Made öffnet mir, in der Hand einen Cocktail. Ich begrüße sie ein wenig verlegen, aber sie zieht mich ohne große Umstände hinein und ruft: "Guck mal, Scared, wer da ist!"
Tatsächlich, Scared steht in weißer Küchenschürze am Herd und backt Pfannkuchen! Das habe ich ja noch nie erlebt. Zu seiner Zeit als Pate trat er nur mit Hemd und Anzug auf - aber diese legere Freizeitkluft steht ihm auch gut. Made setzt sich wieder auf den Tisch neben dem Herd und strahlt ihn an.
Ich bin ein bisschen unsicher, aber auch Scared kommt sofort auf mich zu, begrüßt mich herzlich und schon sitze ich am Tisch mit einem dicken Pfannkuchen vor mir. Als er mir die Hand drückt, sehe ich kurz eine Karte aus seinem Ärmel hervorlugen. Ja, er ist ganz der alte - immer ein As im Ärmel.
Made will wissen, wie es so ist bei der Maodi mit 19 gestandenen Kerlen und einem kleinen Mädchen. Ich kann mir kaum eine bessere Konstellation vorstellen... Naja, vielleicht noch 20 oder 21 tolle Kerle... Da sind eine Menge gutaussehende coole Gangster dabei. Ich versuche, Made ein wenig eifersüchtig zu machen, aber ihre Augen hängen wie immer nur verklärt an Scared. Ich erzähle ein bisschen: Es ist toll im Maodenheim, alle sind nett und es geht immer lustig zu. Beli hat alles Griff und ist auch ein sehr umsichtiger Pate. Oldie und ich sind dabei, unser Zimmer einzurichten, und die kleine Magda läuft eifrig hin und her und hilft tüchtig mit.
Als ich beim zweiten Pfannkuchen und dritten Cocktail bin, kommt Nisl the Kid in die Küche. Er ist seit kurzem neuer Pate der Rosen. Mit dem eleganten Anzug und dem dicken Siegelring am Finger strahlt er eine Autorität aus, die ihm gut steht. Mit sorgenvollem Gesicht schwenkt er eine Rechnung, flüstert kurz mit Scared und verschwindet wieder in seinem Büro.
Sunny ist leider Tag und Nacht in Woodlawn unterwegs, höre ich, da besteht heute wohl keine Gelegenheit, ihn zu sehen. Schade! Ich hätte mich gern auch von ihm verabschiedet. Aber so groß ist Chicago ja nicht, wir werden uns sicher noch begegnen. Bio hat wieder die ganze Nacht Drinks gemixt und ist noch oben in seinem Zimmer. Ich lasse die beiden herzlich grüßen.
Oldie, Gerry und Piter haben endlich die Whiskeyvorräte aus dem Schuppen auf den Wagen verladen (ich habe Oldie ja im Verdacht, dass er immer noch schmuggelt. Anders kann ich mir diese Whiskey-Mengen nicht erklären, die er überall lagert).
Made drängt die drei freundlich-bestimmt an den Küchentisch, nachdem sie sie begrüßt hat (Oldie übertreibt es für meinen Geschmack mal wieder mit der herzlichen Begrüßung - es gibt keinen Damenhintern, der vor ihm sicher ist. Ich sehe darüber hinweg, der alte Halunke ändert sich eh nicht mehr und eigentlich mag ich ihn ja so, wie er ist).
Scareds Miene verfinstert sich auch für einen Moment, aber dann wirft er schwungvoll den nächsten Pfannkuchen in die Luft und fängt ihn geschickt wieder auf. Mir wird beinahe ein wenig wehmütig zumute. Es ist beinahe wie früher - was haben wir hier schon für nette Stunden an diesem Küchentisch verbracht! Aber - keine Sentimentalitäten! Meine Zeiten als Bardame sind vorbei.
Ich bin gespannt, welche Aufgaben mein neuer Chef für mich hat.
Nachdem wir meine Habseligkeiten auf dem Wagen verstaut haben (mir fiel die wichtige Aufgabe des Türenaufhaltens zu), schlägt Oldie Scared kameradschaftlich auf die Schulter ("Wir sehen uns, alter Freund!"), verabschiedet sich herzlich von Made (grmppff!), legt den Arm um meine Schultern und führt mich hinaus. Er hat vorher schon angekündigt, dass er keinen langen tränenreichen Abschied will.
Ich rufe Scared und Made noch über die Schulter zu, dass ich mich sehr freuen würde, wenn sie uns auch mal im Maodenheim besuchen würden, dann fällt die Tür zu. Für mich beginnt ein neuer Abschnitt in Chicago.